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Typisch evangelisch

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Typisch evangelisch

Unter den christlichen Konfessionen, gibt es neben den gemeinsamen Wurzeln und den unterschiedlichen  Ausformungen,  den Auftrag und die Sehnsucht, im ökumenischen Dialog, die Einheit wieder herzustellen. Alle, die versuchen, Ökumene zu leben, sind bestrebt, das Gemeinsame in den Mittelpunkt zu rücken, nicht abzugrenzen, nicht auszugrenzen, sondern aufeinander zuzugehen.

Trotz erfolgreicher und wichtiger Schritte, auf dem Weg gegenseitiger Annäherung bleiben gravierende Unterschiede.

Woran erkennt man evangelischen Glauben - was macht die protestantische Kirche aus? - Der Protestantismus ist erfahrbar anders. Das zeigt sich an Kirchbauten und im Gottesdienst, beim Abendmahl und im Seelsorgegespräch. In Anlehnung an  Kathrin Althans  haben wir einige markante Eigenarten zusammengestellt - ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Universalgültigkeit.

Die Bibel

Die Bibel gilt als die Grundlage des Glaubens und muss als solche für die aktuelle Hörer- und Leserschaft immer neu ausgelegt werden. Alles, was sich nicht biblisch belegen lässt, ist dabei variabel – und gegebenenfalls entbehrlich.

So selbstverständlich es heute ist, dass wir die Bibel auf Deutsch und in vielen andere Sprachen lesen können: Diese Tatsache ist eine Errungenschaft, und zwar eine evangelische! Die mittelalterliche Kirche kannte nur lateinische, altgriechische oder hebräische Ausgaben biblischer Texte. Damit blieb die Heilige Schrift natürlich eine Lektüre für sehr gebildete Experten. Indem er sie erstmals ins Deutsche übersetzte, hat Martin Luther ein Tabu gebrochen. Dabei hat er bewusst "dem Volk aufs Maul geschaut", wie er sagte, um eine allgemein verständliche Sprache zu sprechen.

Seither kann jeder lesen, was drin steht, die Texte auslegen und zitieren – eine unmittelbare Voraussetzung für das "Priestertum aller Gläubigen". Auch dass die Messe nicht mehr auf Latein gehalten wurde, haben die Protestanten eingeführt. Überhaupt ist der sogenannte Wortgottesdienst, mit langer Predigt und Bibelauslegung, etwas typisch Evangelisches. So spielt das gepredigte Wort Gottes die Hauptrolle, nicht die Liturgie oder das Abendmahl.

Wir sind Papst

Es ist recht offensichtlich, aber auch nicht jedem klar: Der Papst ist katholisch. Und die Protestanten haben keinen Papst – kein geistiges Oberhaupt, keinen Heiligen Stuhl, keinen Kirchenstaat. Generell lassen sich evangelische Christen in Sachen Glauben und Leben so schnell nichts vorschreiben – nicht von den Amtsinhabern evangelischer Kirchen, und schon gar nicht vom Oberhirten der Katholiken. Das ist seit Martin Luthers Zeiten so, der bekannte: "Denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, daß sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben".

Somit sind für Protestanten sogenannte Geistliche, wie auch der Papst, fehlbare Menschen wie alle anderen. Und andersherum sind alle Gläubigen gleichermaßen Priester – oder Papst. Nach evangelischer Auffassung steht jeder Mensch selbst vor Gott und braucht keinen Stellvertreter. Deswegen gibt es auch keine Heiligen, die Fürsprache bei Gott einlegen.

Die Menschen, die an der Spitze einer evangelischen Kirche stehen, wie beispielsweise ein Kirchenpräsident, eine Bischöfin oder ein Präses, halten keine Audienzen, erlassen keine Dogmen und tragen auch keine Soutane. Sie verstehen sich als Funktionsträger ihrer Kirche, als Arbeiter im Weinberg des Herrn, wie es mit einem biblischen Bild umschrieben wird. Dazu werden sie von den Gemeinden und der Gemeinschaft ihrer Kirche gewählt und bestimmt – und hoffen auf Gottes Segen bei ihrem Tun. Als unmittelbar von Gott berufen verstehen sie sich aber nicht.

Rechtfertigungslehre

Der Reformator Martin Luther hatte erlebt, dass er als Mensch einfach nicht gut genug sein kann, um sich des Wohlwollens seines Gottes sicher zu sein. Keine Heldentat kann Gott nachhaltig beeindrucken oder beeinflussen, so seine feste Überzeugung. Dass man Gott durch möglichst viele "gute Werke" milde stimmen kann, wie es damals hieß, hielt Luther für ein großes Missverständnis.

Nach protestantischem Glauben wendet Gott sich allen Menschen allein aus Gnade zu- und das heißt, völlig unabhängig von menschlicher Bemühung und Leistung. In guten Taten können und sollten sich allerdings auch Protestanten üben – um ihrer Mitmenschen willen, aber nicht, um die eigene Haut zu retten. Die Kirche, gegen die Martin Luther damals protestierte, hatte es in genau diesem Punkt übertrieben. Die guten Werke wurden mehr und mehr als finanzielle Abgaben an die Kirche eingeworben – und vermeintlich auch im Himmel gutgeschrieben. Dass das mit einer christlichen Lebensführung nicht viel zu tun hat, sieht die katholische Kirche heute auch so. Dennoch verknüpft sie diese nach wie vor mit festen Regeln und Vorgaben.

Um diese unterschiedlichen Blickwinkel auf Glauben und Kirche, die sogenannte Rechtfertigungslehre, drehte sich der große Konflikt zwischen der Kirche und den Reformatoren, der schließlich zur Gründung der evangelischen Kirchen führte.

Abendmahl

In der evangelischen Kirche gibt es beim Abendmahl nicht nur zu essen – eine Oblate –, sondern auch einen Schluck zu trinken – zumeist Wein oder Traubensaft aus einem Kelch. Dafür kommen die Teilnehmer des Abendmahls im Altarraum zusammen, wo Pfarrer oder Pfarrerin Brot und Wein austeilen. Mitunter helfen dabei Mitglieder des Presbyteriums oder Gemeindevertretung oder andere aus der Gemeinde mit.

Nach evangelischer Auffassung beginnt das Abendmahl mit den sogenannten Einsetzungsworten, die normalerweise ein ordinierter Pfarrer oder eine Pfarrerin spricht - in Ausnahmefällen aber auch ein Getaufter, der von der Gemeinde beauftragt werden kann. Für die Gläubigen wird damit das gewöhnliche Brot und der Wein als Symbol für Leib und Blut Christi gedeutet (so verstehen es reformierte Protestanten), beziehungsweise in Brot und Wein wird Jesus Christus damit auch körperlich gegenwärtig (so der lutherische Glaube). Die Bedeutung des Sakraments ist dabei nicht an die Rolle und Qualifikation des Liturgen gebunden. Das sieht man in der katholischen Kirche anders. Dort kann und darf nur ein geweihter Priester die Einsetzungsworte und das sogenannte Hochgebet sprechen, in dem Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt werden.

Alle christlichen Konfessionen berufen sich beim Abendmahl auf den Auftrag Jesu an seine Jünger bei der letzten gemeinsamen Mahlzeit, Brot und Wein auch in Zukunft in Erinnerung an ihn zu teilen. Der Umgang mit dem Kelch bei der Tischgemeinschaft hat sich allerdings unterschiedlich entwickelt. Während es für Protestanten unter Hinweis auf das Jesuswort "Trinket alle daraus" selbstverständlich ist, auch den Kelch zu teilen, war dieser in der katholischen Kirche lange Zeit nur den Priestern vorbehalten. Das sogenannte Verbot des Laienkelchs ist mittlerweile wieder aufgehoben worden und zu bestimmten Gelegenheiten empfiehlt heute auch die katholische Kirche das Abendmahl "unter beiderlei Gestalt", wie es heißt, wenn man Brot und Wein reicht – beispielsweise bei einer Trauung oder am Gründonnerstag, dem Tag des letzten Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern. Das ist aber deutlich seltener der Fall als im evangelischen Gottesdienst.

Frauen im Pfarramt

In der Evangelischen Kirche sind die Frauen völlig gleichberechtigt. Sie können alle Ämter bekleiden und in den allermeisten reformatorischen Kirchen werden immer mehr  Frauen ins Pfarramt ordiniert.

Heilige

Bei den Evangelischen gibt es keine Heiligenverehrung. Zudem ist in der Bibel davon keine Rede. So begehen Protestanten keine Namenstage und evangelische Kirchen fallen in der Regel schlichter aus: Da gibt es keine Seitenaltäre, Statuen oder sonstige Kulteinrichtungen zu Ehren einzelner Heiliger.

Nach reformatorischer Auffassung ist die Taufe das Sakrament, das einen Menschen in den Kreis der Nachfolger und Nachfolgerinnen Jesu aufnimmt. Darin sind alle Gläubigen gleich – gleichermaßen Vorbilder füreinander, wie Angewiesene auf die Vergebung anderer. Martin Luther hat das auf die kurze, scheinbar widersprüchliche Formel vom "Sünder und gleichzeitig Gerechten" (lateinisch: simul iustus et peccator) gebracht. Aus diesem Widerspruch kann sich ein Mensch selber nie ganz befreien – das kann nur Gott.

Ein scheinbarer - und ebenfalls typisch evangelischer - Widerspruch ist es, dass sich der befreite Mensch aufgerufen fühlen darf, in seinem eigenen Leben Heiligkeit einziehen zu lassen. Wer sich - als fehlbarer Sünder! - im Glauben und aus Gnade angenommen fühlen kann von Gott, findet zu seiner gottgewollten Natur als Mensch - und das ist ja immerhin eine gottebenbildliche.

Basisdemokratie

Das sogenannte „Presbyterial-synodale Prinzip“ ist das zentrale und wesentliche Merkmal Evangelischen Kirchenverständnisses. Die Gemeinden wählen ihren Pfarrer, ihre Pfarrerin und sie sind mit dem Presbyterium und der Gemeindevertretung für die Gestaltung von Kirche verantwortlich. Dieses Prinzip durchzieht sich in allen Ebenen, bis zur Synode und Generalsynode.

Es gibt in unserer Kirche somit ein gleichberechtigtes Miteinander aller gewählten Verantwortlichen.

 

Vier Säulen des Protestantismus

weitere Charakteristika des Protestantismus gehen alle auf vier Glaubenssätze zurück, die Martin Luther in knackige lateinische Formeln gefasst hat:

Sola Scriptura - Allein die Bibel ist die Grundlage christlichen Glaubens. Was Kirche und Gläubige im Laufe der Jahrhunderte an Lehren, Regeln und Glaubenssätzen verfasst haben, steht auf einem anderen Blatt.

Solus Christus - Allein Jesus Christus vermittelt, was Heil bedeutet. Mit seinem Leben und Sterben erreicht die frohe Botschaft (so die wörtliche Bedeutung von "Evangelium") vom gnädigen Gott diese Welt. Dagegen verblasst jeder menschliche Würdenträger und jedes noch so strahlende weltliche Idol.

Sola Fide– Allein im Glauben richtet sich der Blick so auf Jesus Christus, dass man sich als Sünder angenommen fühlen kann vor Gott. Dafür braucht es keinerlei äußerlichen Hilfsmittel, Kultübungen oder Rituale.

Sola Gratia – Allein aus Gnade darf sich jeder angenommen fühlen von Gott. Wer meint, er könne sich beim Blick in den Spiegel des Heils gewiss sein, verkennt sich als Mensch. 

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