Internetredaktion          kaernten-osttirol@evang.at

Predigt zum Palmsonntag

Joh.17,17-23

Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit.
Wie du mich gesandt hast, so sende ich sie auch in die Welt. Ich heilige mich selbst für sie, damit auch sie geheiligt seien in der Wahrheit.
Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien.
Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.
Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.

Liebe Schwestern und Brüder!

Botho Strauss schreibt in seinem Buch "Der Fortführer" auf Seite 55:
Man suche nur, jeder auf seinem Ödfeld, nach faustgroßen Steinen. Sammle so viele, wie sie mit Gedichten auf Papier sich umwickeln lassen, bis keiner mehr unverhüllt bleibt.
Die karge Ebene läge schließlich gefüllt mit in Poesie gewickelten Steinen, wie man sie in höfischer Zeit nach und nach über eine hohe Mauer geschleudert hätte, um einem streng bewachten Burgfräulein eine Huldigung zu bringen.
Ein schönes Bild: Eine Straße gefüllt mit Steinen, die mit Gedichten umwickelt sind. Würden wir einfach drüberschreiten, oder würden wir uns bücken, um sie aufzuheben, Stein für Stein und sie, wie Schokolade oder Pralines auszupacken und die Gedichte zu lesen.

Chinesische Glückskekse – kann man auch selber backen u. mit Botschaften versehen.
Manche Gemeinden machen diese kleinen Milkaschokoladen und umwickeln sich mit biblischen Botschaften.

Das erinnert mich an meine Studienzeit in Wien. Da gab es mitten in der Stadt, an Litfaß-Säulen, an Hinweisschildern, an Bäumen Tixostreifen und daran hingen Gedichte, zum Pflücken, zum Mitnehmen, zum Lesen, zur Erbauung, zum Nachdenken, zur Irritation.
Das haben im ersten Lockdown auch einige Pfarrgemeinden gemacht, in der Johanneskirche in Klagenfurt, in der Kirche in Nötsch, in Bad Bleiberg und Arnoldstein Texte, Gedichte, Gedanken aufgehängt, ausgelegt, zum Pflücken, zum Mitnehmen.

Das Wort als geistige und geistliche Nahrung, denn wir wissen: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
Die Härte des Steins abgemildert durch ein Blatt Papier, auf dem ein Gedicht steht. Die Steine erinnern auch an die Geschichte Jesu von der Ehebrecherin. Sie wurde, wie damals üblich, zum Tode durch Steinigung verurteilt. Bevor sich die Schaulustigen und Sensationslüsternen bücken, um nach einem Stein zu greifen und ihn in tödlicher Absicht zu schleudern, sagt Jesus: Wer unter euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.

Auch ein Gedicht, ein Gedanke, eine Lebenshaltung: einander nicht Steine an den Kopf zu werfen, sondern Gedichte aufspüren, entdecken, die Balsam sind für unsere Seele.
Gedichte, die trösten, die stärken, Gedichte, die lebendig machen.

Vielleicht sogar ein Tipp für Ostern.
Eier nicht nur zu bemalen, sondern sie einzupacken mit einem Gedicht. Bunte Steine, bunte Eier mit Gedichten der Hoffnung und der Zuversicht, dass am dritten Tag der schwere Stein weggerollt wird und der Weg offen ist zur Auferstehung.

Maxim Biller:
Maxim Biller wurde als Kind russisch-jüdischer Eltern in Prag geboren und emigrierte 1970 als Zehnjähriger zusammen mit der Mutter Rada Biller, dem Vater Semjon-Jevsej Biller (1931–2017) nach Westdeutschland. Er studierte in Hamburg und München Literatur und schloss sein Studium 1983 ab. Er ist Journalist und Schriftsteller.
Er hat vor ein Woche in der Hamburger Zeit einen Artikel geschrieben, der mich sehr nachdenklich gestimmt hat.

Er hat angekündigt, kein Wort mehr zu schreiben, weil Literatur, Gedichte etc. es nicht verhindern konnten, dass Putin den Befehl zu diesem schrecklichen Krieg gegen die Ukraine gegeben hat.
Da wird nicht mit Steinen, sondern mit Panzern und Raketen und anderen Vernichtungswaffen alles zerstört.

Palmsonntag:
Die Menschen werfen Jesus keine Steine in den Weg, sondern sie reißen sich förmlich die Kleider vom Leib und rollen ihm den roten Teppich aus.
Wir wissen, dass dieser Jubel nicht lange anhält. Die Massen sind leicht zu steuern, damals wie heute.
Aus Bewunderung, aus Zuwendung, aus dem Hosianna, wird Hass und das Kreuzige ihn!

Dein Wort ist die Wahrheit, sagt Jesus und er bittet seinen Vater darum, dass die Welt erkennen und begreifen möge, dass wir alle eins sind.

Nicht mit Steinen werfen. Nicht einer gegen den andern, nicht Nation gegen Nation, nicht Religion gegen Religion, sondern erkennen, dass wir alle, egal welcher Herkunft, Rasse, Farbe, Religion und Ideologie, Gottes Geschöpf und Ebenbild sind.

Wir sind geliebt, so wie wir sind. Wir können uns unsere Anstrengungen und Kapriolen sparen, die wir bereit sind aufzuführen, um anerkannt und beklatscht zu werden.

Es geht um Wahrheit und Wahrhaftigkeit.

Gottes Wort ist Wahrheit. Jesus Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Amen

© 2013 by Evangelische Kirche Kärnten-Osttirol
concept&design: ilab crossmedia